zurück... weiter...

Aufschlag in Hamburg


Endlos lange rollert das Flugzeug über die Pisten und Rollfelder des parieser Flughafen "Charles de Gaulle" bis wir endlich andocken. Langsam schieben sich die Massen durch die unbeheizte Gangway, die sinnigerweise durch eine Passkontrolle versperrt ist. Barfüssig schlurfen wir in unseren ausgetretenen Treckingsandalen durch die kalten Gänge, Regen - eine für uns mittlerweile ungewohnte Naturerscheinung - prasselt an die Fensterscheiben und wohl einzig unsere europäischen Reisepässe ersparen uns das Ausfüllen eines Asylantragsformulars. Wir sind wieder in Europa und uns ist kalt! Bis zum Weiterflug nach Hamburg vertreiben wir uns die Zeit mit einem Kaffee (wohlgemerkt nur eine Tasse) und einem Croissant (wohlgemerkt auch nur eins). Einst das Vorzeigebackwerk der Franzosen ist dieses Croissant zu einer aufgeplusterten, bröseligen und luftdurchsetzten Teigrolle verkommen. 7 Euro 80, wir sind wirklich wieder in Europa! Der Flug nach Hamburg ist kurz und auch in Hamburg werden wir mit Regen empfangen. Am Gepäckband erklärt Elias den anderen Wartenden auf spanisch, welches unser Gepäck ist - er hat noch nicht ganz realisiert, dass wir wieder in Deutschland sind. Noch trennt uns eine Glasschiebetür von der Wartehalle am Flughafen und von unserem alten Leben. Noch sind wir auf der Reise, noch sind wir frei, noch sind wir hier drinnen in Sicherheit, noch...Die Schiebetür weicht zurück, das war's dann wohl, die Reise ist zu Ende...

Zwei Meter später hat sich unser Leben bereits verändert. Ein grosser Teil der Familie ist gekommen, um uns am Flughafen zu begrüssen. Man liegt sich in den Armen, bewundert Hautfarben, kommentiert Wachstumsgrössen und fragt nach den ersten Fakten. Die Fahrt vom Flughafen nach Hause (ist ja nicht unseres, aber wir werden hier so herzlich aufgenommen) geht durch graue, verregnete Vororte von Hamburg. Noch ist hier kein Frühling zu sehen. Wenig Menschen sind auf den Strassen und wenig Buntes ist zu sehen. Die Autos ohne Beulen, die Menschen ohne Kinder - das fällt gleich auf. Dafür wird es dann am nächsten Tag umso bunter. Es ist Ostersonntag und die Sonnes scheint. Der Osterhase bringt so viel wie seit Jahren nicht und das Beste: bei der Oma in der Garage steht ein Kettcar für Elias. Ein schönes Familientreffen und es wird wieder viel erzählt...

Am zweiten April ist es dann soweit. Wir fahren mit Kurzzeitkennzeichen unter dem Arm in den Hafen und holen unseren Bulli ab. Ohne Probleme bekommen wir drei Besucherkarten und sind alle dabei, als die Plombe am Container geöffnet wird. In den 22 Tagen der Seereise ist der Bus im Container stark gerostet. Neue Rostblasen am Lack und auch die Kupplung ist festgerostet. Der hölzerne Innenausbau ist aufgequollen und scheint die Karosserie zu sprengen. Nur mit einer starken Gabelstaplerbatterie gelingt es den Motor qualmend zu starten. Wir dürfen fahren. Am Zollhof erklären wir dem Zöllner kurz unsere Geschichte. Zum Glück hatten wir vor zweieinhalb Jahren bei der Verschiffung eine Ausfuhrbescheinigung erstellen lassen. Damals hatten wir nicht verstanden wofür, aber jetzt wird es uns klar. Der Zöllner vergleicht kurz die Fahrgestellnummer am Bus mit der Nummer auf unserer Ausfuhrbescheinigung. Listo, wir dürfen fahren, man will nicht einmal in den Bus hineinschauen - auch wenn wir aus Südamerika kommen und mit dem Bulli in ein gewisses Raster passen. Es gibt einfach zu wenig Personal...

Auf der Autobahn kurz vor unserem temporären Zuhause treten dann plötzlich laute kratzende Geräusche an der Vorderachse auf. Nach 40 Kilometern auf deutschen Autobahnen streikt der Bulli, wer hätte das gedacht. Zum Glück finden wir schnell eine Werkstatt, die uns den Schaden repariert. Ein Radlager hatten wir noch dabei und die beiden Mechaniker machen Überstunden, um es uns zu wechseln. Aber sie machen uns beim Abholen rund "mit so einer Karre könnt ihr hier nicht fahren, die Achse ist kaputt, die Bremsleitung ist beim Wechseln der Radlager zerbröselt, der Auspuff besteht nur noch aus Löchern und und und. Auch für eine Überführung braucht man TÜV. Ihr macht Euch strafbar. Und das lohnt ja auch garnicht mehr das Auto zu reparieren". Egal, wir überführen trotzdem. 600 Kilometer quer durch Deutschland. Wir übernachten auf Rastplätzen, um morgens von hilfsbereiten Menschen angeschleppt zu werden. Diese in Deutschland zu finden ist etwas schwieriger als in Argentinien, man hat hier wohl mehr Angst um sein modernes Vehikel, oder einfach nur weniger Zeit. Aber auch hier findet man hilfsbereite Menschen. Und so steht der Bus am Ende der Überführung bei guten Reisefreunden in einer trockenen Scheune und wartet auf seine umfassende Restaurierung...

Na und dann kommen langsam auch schon die etwas unangenehmeren Dinge im Leben. Schule, Versicherungen und Arbeitsamt. Aus deutscher Sicht ist es schon nicht mehr fünf vor Zwölf, nein es ist schon kurz nach Eins. Die Einschulungsveranstaltung haben wir verpasst und wie es auf dem Arbeitsmarkt steht, werden wir dann sehen. Noch ist uns der Gedanke sehr befremdlich wieder in ein System mit viel Arbeit und wenig Zeit gepresst zu werden. Und welche Arbeit wird uns liegen? Elias kann nicht wie in Südamerika mal eben kurz in einen Kindergarten gehen, nein da muss erst einmal ein ganzer Stapel Papier ausgefüllt werden. Und vorübergehend geht schon garnicht. Aber dabei wissen wir ja noch garnicht, wo wir wieder wohnen wollen. Uns fehlt die Natur, deren Ruhe und Schönheit. Autobahnrauschen ist einfach nicht mit Meeresrauschen zu vergleichen, auch wenn man sich noch so sehr anstrengt - es klappt einfach nicht. Wohnungen zur Miete oder Häuser zum Kauf gibt es wie Sand am Meer. Preislich sind sie aber eher mit Gold am Meer zu vergleichen :-) Und was für ein Auto sollen wir uns zulegen? Der Bus scheidet ja erst einmal aus, für ihn bräuchten wir eine Werkstatt und viel Zeit.

Und so schwinden die Ideen und Träume wie Eiswürfel in der Sommersonne, während wir uns immer weiter im Kreis drehen und uns fragen, welchen Punkt unserer Zukunft wir zu erst lösen können und vorallem auch wie. Da ist es einfacher abzufahren - man steigt einfach in ein Flugzeug und fliegt los. Aber beim Zurückkommen muss man schon genau aufpassen, wo man aussteigt. Schon nach wenigen Tagen fühlen wir uns wie eine Hackfleischeinlage zwischen zwei Brötchenhälften. Die untere Brötchenhälfte quasi das System in dem man eingebettet ist und die obere Hälfte die Zeit die jetzt wieder auf einem lastet.

Und nebenbei fällt einem immer wieder auf, wie weit man sich schon an die Gebräuche in Südamerika gewöhnt hat. Dort werden beispielsweise die benutzen Toilettenpapiere in einen dafür vorgesehenen Korb geworfen und nicht in die Toilette. Und so ertappt man sich hier noch sehr lange dabei auf hiesigen Toiletten einen solchen Behälter zu suchen. Man kann einfach nicht loslassen, das ist jetzt erst einmal so drin.
Aber ganz plötzlich gibt es eine Wende. In einer Anzeige sehen wir ein Wohnmobil. Das ist es! Ein Auto und gleichzeitig ein Haus und wechselnder Vorgarten. Wir gehen wieder auf Tour! Diesmal durch Deutschland und suchen uns einen Platz zum Leben. Ruckzuck ist das Ding gekauft. Natürlich auch wieder ein Oldtimer, das spart Kosten und hat gleichzeiig auch was. Schnell zur Zulassungsstelle und Versicherung. Dort muss man aufpassen, das man nicht gleich überversichert wird. Nein, Fahrerinvaliditätsversicherung und Fahrertodesversicherung braucht man nicht. Was gibt es da inzwischen nicht alles für neue Produkte. Nein, schön braf die Haftpflicht - mehr hatten wir in den letzten Jahren auch nicht gebraucht. Leicht wird einem eingeredet man brauche hier viel mehr um zu überleben...

Und so fahren wir wieder, vielleicht auch in Eurer Nähe. Achtet einfach auf einen weissblauen Bus. Aber nur wo "vollepulle" draufsteht ist auch "vollepulle" drin. Und vielleicht könnt Ihr unsere Routenplanung auch beeinflussen, man weiss ja nie...





Die folgenden Bilder können durch Anklicken vergrössert werden:

Unstuffing das Lösen der Seile und Keile...
Ohne Schieben geht nichts. Man hilft uns mit diversen Batterien und Kabeln beim Überbrücken. Der Bus ist im Container sehr stark zusammengerostet...
Koordinator beim Auspacken...
Auch der Zoll find den Bulli toll. Keine Probleme bei der Abfertigung, die Zollbeamten wollten nicht mal reinschauen...
Armer Bulli auf Deutschlands vollgestopften und nassen Strassen...
"KM Automobile" in Hoisdorf wechseln uns schnell und preiswert das kaputte Radlager. Tausend Dank für die Hilfe, ohne Euch hätten wir den Bus nicht mehr überführen können...
Deutsche Osterhasen schmecken besser...
Osterfrühstück bei der Oma...
Der deutsche Wald lebt...
Die Vorbesitzer von unserem neuen Tour-Bus bei der Übergabe...

zurück... weiter... © 2005 - 2099 · Frank-Ivo Schulz · www.vollepulle.net