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Nordostargentinien


Wir rollen nach Concordia eine argentinische Grenzstadt zu Uruguay knapp 500 Kilometer nördlich von Buenos Aires. Es ist unerträglich schwühl. Während dem Fahren wird man quasi im eigenen Saft gekocht. Viel Motivation zum Fahren haben wir nicht mehr. Aber würden wir direkt nach Uruguay zum Strand fahren, würden uns zwei Dinge entgehen: die Wasserfälle von Iguazu und die sagenumwobene korrupte Polizei in Entre Rios und Misiones. 900 Kilometer einfache Strecke sprechen dagegen, die Neugier aber letztlich dafür. Und so katapultieren wir uns noch einmal vom Endpunkt unserer Reise in den äussersten Nordosten von Argentinien. Die schnurgerade Strasse vermittelt das trügerische Gefühl von Sicherheit aber schon nach etwa 80 Kilometern werden wir an einer Polizeikontrolle angehalten - logo! - haben ja auch ein ausländisches Kennzeichen. An den Papieren liegt es natürlich nicht, aber dem Kontrollposten entgeht nicht, das Katrin nicht angeschnallt ist, so wie fast alle Argentinier auch. Die Papiere werden vom kontrollierenden Polizisten eingezogen und in ein kleines Haus neben der Strasse getragen. Ich verstehe nur "erst Multa dann Papiere". Entnervt gehe ich in das Haus an der Strasse. Drinnen ein kahler Raum, ein Metallspint, ein Holztisch mit einem Taschenrechner und einem Stapel Papiere darauf. Am Tisch sitzen zwei Polizisten, der eine beobachtet durch eine grosse Panoramascheibe das Geschehen auf der Strasse, der andere reinigt sich gelangweilt seine Fingernägel mit einem Kugelschreiber. Sein Gesicht etwas zerknittert, aufgedunsen und verschwitzt. Er, Sackgesicht (Name von der Redaktion geändert), legt den Kugelschreiber beiseite und zeigt mir eine perfekt einlaminierte Liste mit kostenpflichtigen Vergehen. Der unterste Punkt heisst irgendetwas mit "über der Stossstange". Die Handbewegung von Sackgesicht unterstreicht es "die Anhängerkupplung ist hier nicht erlaubt, weil sie über die Stossstange ragt". Kostet 389 Peso, also zur Zeit etwa 86 Euro.

Blitzschnell checke ich die Lage. Vom Sicherheitsgurt ist keine Rede mehr, in der perfekten Laminierung ist eine so schlechte Kopie die normalerweise nie einlaminiert werden würde und drittens ist es der letzte Punkt auf der Liste und damit quasi die Höchststrafe. Schnell kapiert - schnell reagiert. Im Stehen beuge ich mich über den Schreibtisch und erkläre Sackgesicht, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Argentinien momentan durch Frau Kirchner sehr gut sind, dass ich eine temporäre Einfuhrerlaubnis dieses Autos vom argentinischen Zoll habe und dass ich nie auch nur einen Peso Multa zahlen werde. Dennoch zeige ich mich "colaboracion"sbereit und klatsche eine 10-Peso-Note auf den Tisch - genug für zweieinhalb Liter Bier "en la noche". Sackgesicht meint zwar noch kleinlaut 10 Dollar, aber ich sagte nur wir seien hier in Argentinien und da wird in Peso bezahlt - Dollar war einmal. Alle lachen, Geld und Papiere wechseln den Besitzer und wir können weiterfahren. Da sind wir noch gut weggekommen...

Endlos zieht sich die langweilige Strecke und wir beschliessen noch am gleichen Tag eine Nachtfahrt einzulegen, um Elias nicht zu sehr zu langweilen. Im Dunklen kommen wir an die Provinzgrenze zu Misiones und somit wieder an eine Polizeikontrolle. Erst werden wir durchgewunken, aber einem klugen Kopf sind dann doch die ausländischen Kennzeichen aufgefallen. Also rechts ranfahren. Die Papiere sind gefragt. Die sind in Ordnung, deshalb wird nach dem TÜV-Bericht gefragt. Was ein Witz - haben wir naürlich nicht. Ich gebe noch einmal den Fahrzeugschein, da ist ja auch ein Stempel drauf. Dann die Frage nach Feuerlöscher und Warndreieck. "Si", ham wir. Der Beamte will es tatsächlich sehen. Ich erinnere mich dunkel, das ich beides aus Gewichtsgründen im bolivianischen Hochland gegen Benzin eingetauscht habe und versuche den Beamten davon zu überzeugen, dass beide Sachen von seinen Landsleuten geklaut wurden. Im Übrigen haben wohl höchstens 0,00345% aller Argentinier diese Sachen im Auto. Hilft aber nichts, ich soll mit in sein Büro und eine Multa zahlen.

Im Büro erklärt mir der Polizist, dass ich jetzt den Wagen hier stehen lassen, ins 50 Kilometer entfernte Posadas fahren und dort eine Multa von 200 Peso zahlen soll. Es ist 23 Uhr und ich fange an zu spinnen. Frau, Kind und Bus hier lassen, die Strecke mit einem Taxi fahren und dann noch so viel Multa zahlen. Hier verdienen die Menschen oft nur 1000 Peso im Monat. Aber der Polizist ist sehr bestimmt, ich muss also etwas tiefer in die Tasche greifen. Er fragt mich, ohne das ich es richtig kapiere, was ich arbeite. "Ich bin bei der Feuerwehr und habe gerade heute 5 Peso Colaborcion für die Feuerwehr hier gezahlt (das stimmte sogar)". Ich biete ihm 30 Peso Colaboracion an, er wird ganz hektisch und nimmt dankend an, erzählt mir, dass er Frau und Kind habe und bei der Polizei sehr wenig verdiene. Händeschüttelnd begleitet er mich zur Tür, wünscht mir viel Glück und verspricht, dass wir auf der Rückfahrt hier keine Probleme haben werden. Scheisse, ich habe zu viel angeboten. Wahrscheinlich hätten auch hier 10 Peso gereicht! Es stimmt also wirklich, die Polizei in diesen beiden Regionen ist korrupt. Aber man sollte sich nicht unverschämt abzocken lassen. Und gegen ein paar Peso für einen Einzelunterricht in Spanisch ist ja auch nichts einzuwenden...

Wir erreichen Foz de Iguazu am nächsten Tag. Es ist sehr heiss hier und so übernachten wir auf einem Campingplatz mit Pool. Zwei Tage akklimatisieren wir uns, dann geht es in den Nationalpark zu den Wasserfällen. Es ist einfach gigantisch diese Wasserfälle zu sehen. Hunderte bis zu 70 Meter hoch. Stundenland kann man im Park herumspazieren und neben den Wasserfällen gibt es auch noch zutrauliche Nasenbären zu sehen - wie Eichhörnchen in deutschen Parks. Die Fahrt hier ganz nach Nordostargentinien ist zwar anstrengend, aber hat sich gelohnt.

Auf dem Rückweg schauen wir uns noch einige Jesuitenreduktionen an. In Bolivien bekommt man zwar einen besseren Eindruck davon, dafür sind die Ruinen hier schön vom Urwald überwuchert. Dennoch viel ist nicht übrig geblieben...

Und so sieht hier im Nordosten von Argentinien ein typisches Internetcafe aus, von denen es auch nicht gerade viele gibt. Übertragungsrate 3 Bit pro Sekunde, oder gar keine Verbindung. So hat das Hochladen dieser Berichte etwas gedauert und es sind auch noch nicht alle eMails beantwortet - sorry! Jetzt geht es nach Uruguay, vielleicht ist die Lage dort besser...





Die folgenden Bilder können durch Anklicken vergrössert werden:

Der ganze Stolz ein Ford Falcon...
...gibt es auch in rot...
Auf Stegen kommt man ganz nahe an die Wasserfälle heran...
In der Sekunde etwa 800000 Toilettenspühlvergänge (ohne Wasserspartaste)...
285 Einzelfälle...
...und zig Tausend Besucher am Tag...
Dennoch ein toller Tagesausflug...
Oder Elias?
Projekte werden hier auf die Nachkommastelle genau in den Sand gesetzt...
Typische Erdstrasse in Misiones...
Leguane streifen durch das Gras...
...und Nasenbären durch die Büsche...
Jesuitenreduktionen...
...vom Urwald überwuchert...
Grapschental ist nicht so wie man es sich vorstellt. Hier leben Wolgadeutsche und sie schwätzet Schwäbisch...
Die Revance! Deutschland : Argentinien, 55 : 2
Es ist immernoch heiss...
Desinfektionspflicht für 40 Eurocent aber dafür mit Zertifikat...
Mega Disco...
Beschleunigt Polizeikontrollen: einfach fotografieren...

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